Es ist und bleibt ein Glück, vielleicht das Höchste, frei atmen zu können. Theodor Fontane

Elementare Bausteine der Atemtherapie

 

Einer der wichtigsten Bausteine der Atemtherapie ist die Erfahrung mit dem eigenen Körper. Dehnungs- und Bewegungsübungen schulen und fördern das eigene Empfindungs- und Körperbewusstsein. Diese im Rhythmus des Atems durchgeführten Übungen weiten die verschiedenen Atemräume (oberer, unterer, mittlerer,  innerer und äusserer Raum). Unser Atem wird dadurch tiefer und ruhiger. Dadurch fühlen wir uns vitalisierter, mit uns selber besser verbunden und wohler in unserem Körper.

 

Berührung in der Atemtherapie

 

Berührung ist taktile Kommunikation. Immer besser kann heutzutage die Wissen-schaft belegen, welch heilende Kraft eine bewusst ausgeführte und empfangene Berührung besitzt. Berührungen wirken auf uns ein und bewirken Veränderungen in uns.

 

Perspektivenwechsel als Chance

 

Fast jede schwierige Situation, die in der Akutphase als unüberwindbares Drama erscheint, bietet die Möglichkeit daran zu wachsen. Mittels atemtherapeutischer Unterstützung kann man sich der eigenen resilienten Kräfte bewusst werden und einen Perspektivenwechsel vornehmen. Darin liegt die Chance, dem Leben wieder kraftvoll und sinnhaft zu begegnen. 

 

Stille Präsenz im atemtherapeutischen Setting

 

Mit unserem umfassenden Da-Sein (therapeutisches Nichts-Tun) eröffnen wir unseren Klient*innen in der Regel einen Begegnungsraum, in dem sie einfach so sein können wie sie gerade sind, ohne Ansprüche unsererseits. Es gibt ihnen aber auch die Möglichkeit, einfach so zu sein, wie sie sind, ohne Ansprüche sich selbst gegenüber zu stellen. Es ist ein gemeinsames Annehmen, von dem was gerade ist, ohne Bewertung oder Veränderungswillen.

Stille Präsenz entsteht nicht im Kopf, es ist eine innere Einstellung | Intention. Jede Therapeutin findet ihren eigenen Weg, um diesen Raum der "stillen Präsenz" anbieten zu können. Ich bin überzeugt, dass uns in diesem Begegnungs- und Berührungsmoment die innere Hingabe, Achtsamkeit und die ehrliche Anteilnahme unseren Klient*innen und deren Herausforderungen gegenüber verbindet. In dieser präsenten Leere können neue Impulse entstehen (beim Klient/bei der Klientin, aber auch bei uns selbst), vielleicht nicht gerade im Hier und Jetzt, doch es können wichtige Samen gepflanzt werden, die in ihrem Tempo blühen werden.

Unsere stille Präsenz ist auch immer wieder angebracht nach fordernden Griffen oder intensiven Behandlungsphasen. Wir sind bewusst da, geerdet und präsent für unsere Klient*innen, die eine solche Begegnung mit anderen Menschen oftmals gar nie erfahren durften. Unsere ruhige Hinwendung | Berührung ermöglicht und aktiviert auch eine Tonusregulation. Da-Sein wirkt vertrauensbildend, beruhigend und entspannend auf verschiedenen Ebenen. 

Stille Präsenz verlangt von uns selbst ein nichts bewirken Wollen im Hier und Jetzt, nicht auf der Jagd sein nach der perfekten Lösung, sondern Da-Sein für das, was gerade ist, sich zeigt oder sich auch noch nicht zeigen kann. Es ist eine Art Vertrauen dem Leben, dem Behandlungsprozess gegenüber, dass nach der Leere auch wieder Fülle kommen wird. Dass der Sturm im Wasserglas sich wieder legen wird oder dass Fragen auch eine gewisse Zeit unbeantwortet bleiben und wir dennoch unseren Weg, unser Gleichgewicht finden.

Das Halten der Stillen Präsenz gibt unseren Klient*innen auch die Möglichkeit, sich klarer mit Anteilen zu verbinden, die nicht im Fluss sind. Sie können sich ruhig und begleitet mit ihrem Sein verbinden, mehr und mehr in ihrem physischen Körper ankommen, ihn fühlen und wahrnehmen. Sich den Herausforderungen von einer anderen Warte stellen. Eine Wahrnehmung von Erdung und wieder im eigenen Sein beheimatet zu sein kann geschehen, auch wenn noch nicht alles gelöst und verarbeitet wurde. Selbstempathie und eine tiefere Verbindung zu sich selbst können so gestärkt werden.

 

Interventionen und Arbeitsweise der Atemtherapie

  • Atembehandlung: Die Atembehandlung erfolgt am bekleideten Menschen. In deren Verlauf nimmt die Therapeutin über die Hände die Atembewegung und Atemschwingung des zu behandelnden Menschen auf, begleitet und unterstützt diese. Lebensgeschichtliches, Gefühle und Erinnerungen treten dabei ins Bewusstsein und werden ins Wort gebracht. Die Atembehandlung ist eine Form des Dialogs, dessen Bezugspunkt der Atem ist. Zudem werden die verschiedenen Atemräume erlebbar gemacht und nach Bedarf gestärkt.
  • Atemmassage: Bei der Atemmassage (nach Prof. Dr. med. Glaser)  wird am freien Rücken gearbeitet. Die Therapeutin bedient sich klassischer Massage-, Dehnungs- und Haltegriffen. Die Atemmassage unterscheidet sich jedoch von der klassischen Massage durch die Orientierung an Atemrhythmus und Atemstärke, dessen freies Fliessen mittels Dehnungen und Streichungen gefördert wird. Diese Arbeit wirkt durch die bessere Blutzirkulation entspannend, raumschaffend, wärmend und eutonisierend. Der Stoffwechsel wird angeregt. Durch die Wärme und den Druck auf die Haut werden über die Reflexzonen die Organe und deren Tätigkeit aktiviert. Selbstregulation und -heilungskräfte werden geweckt und vertieft.
  • Gelenk- und Peripheriearbeit: Hier steht die Arbeit an Händen und Füssen im Zentrum. Durch die Bewegungen der Gelenke werden wirkungsvolle Atemanregungen gegeben. Seit jeher dienten Gelenkbewegungen, insbesondere der Arme und Beine dazu, das Atemgeschehen und somit den Menschen in seiner Ganzheit zu beeinflussen. Freie Gelenke sind eine Voraussetzung für Durchlässigkeit bis in die Peripherie.
  • Knochenpunkt- und Zentrierungsarbeit: Das Aktivieren und Stimulieren von Knochen- und Druckpunkten fördert die Fähigkeit sich besser wahrzunehmen, abzugrenzen und des eigenen Innen- und Aussenraums bewusst zu werden. Durch die Druckpunkte werden verschiedene Körper- und Atemräume angesprochen. Dies ermöglicht, den eigenen Atem leichter und prägnanter zu erfahren. Bei der Zentrierungsarbeit lässt man zuerst die Einatembewegung entstehen, damit dann mit der Sammelkraft die Ausatembewegung in ein inneres Zentrum hinein gebündelt werden kann. Lästiges Gedankenkreisen um ein Problem wird gelindert oder gestoppt. Ein Gefühl von Klarheit und Zentriertheit stellt sich ein. 
  • Somatographie und Thymographie
    Eine Somatographie ist eine mehr oder weniger realistische Körperzeichnung, welche die Klientin/der Klient von sich selbst anfertigt. Diese kann viel aussagen über Körpererleben, Gefühl, emotionaler Standpunkt und die aufzuarbeitenden Themen. 
    Die Thymographie ist eine freie, gestalterische Möglichkeit, ein Gefühl bildlich darzustellen. Beide Formen der gestalterischen Auseinander-setzung können unter anderem bei einer Standortbestimmung beigezogen werden, um unbewusste Aspekte an die Oberfläche zu holen.

Beispiel einer Thymographie / Seelenbild

Beispiel einer Somatographie


  • Vokalraum - Atem und die Stimme
    An der Stimme erkennt man die Befindlichkeit eines Menschen. Dabei haben Körperhaltung, An- oder Entspannung einen Einfluss auf die Stimme. Chronische Heiserkeit und Stimmschwäche können die Folge einer schlechten Atem- und Sprechtechnik sein. Jede Vokalschwingung (a-e-i-o-u) hat ihren eigenen Atembewegungsraum im Körper. Die Vokalraum-/Konsonatenarbeit ist eine besondere Möglichkeit, Atemraum zu bilden, ohne dass dabei eine starke äussere Bewegung des Körpers nötig ist. Der Raum wird allein durch den Vokal gebildet, den wir entweder schweigend innerlich singen oder über das Tönen nach Aussen geben. Dabei werden durch Resonanz heilsame Schwingungen im Körper erzeugt. Diese fördern die Wahrnehmung von Körpergrenzen und -wänden, und erleichtern so die Abgrenzung von Innen- und Aussenraum. Es wird sitzend oder liegend gearbeitet.
  • Eutonie - Durch besseres Körperbewusstsein zu innerer Balance
    Angesichts der alltäglichen Anforderungen leiden viele Menschen unter schmerzhaften Verspannungen. Hier können Eutonie-Übungen Abhilfe schaffen. Das Wort Eutonie kommt aus dem Griechischen und heisst übersetzt 'gute Spannung'. Eutonie-Übungen sind für Menschen mit zu viel, aber auch mit zu wenig Spannung geeignet. Wer ständig unter Strom steht, kann mithilfe der Eutonie-Übungen Muskelverspannungen lösen. Wer sich dagegen oft müde und energielos fühlt, kann durch die Übungen die Spannkraft seiner Muskeln verbessern. Diese Selbsterfahrungsmethode wirkt sanft auf den Spannungszustand des gesamten Organismus ein. Sie führt zu einer bewussten und wohltuenden Wahrnehmung des eigenen Körpers und trägt dadurch zur Entspannung bei.
  • Imagination - Die Heilkraft innerer Bilder und das Arbeiten mit Affirmationen
    Imagination wird von Imago hergeleitet und bedeutet Bildnis, Abbild oder Vorstellung: das Vermögen im Wachzustand mit geschlossenen Augen Dinge, Situationen und Geschehnisse innerlich zu imaginieren und zu erleben. Die Therapeutin kann durch eine solche Imagination führen (anleiten, Fragen stellend). Das Einbeziehen von inneren Bildern, Helfern, Heilerinnen etc, in der Auseinandersetzung mit der aktuellen Lebensphase kann stabilisieren, Selbstheilungskräfte aktivieren und zu einer wichtigen Ressource im Umgang mit schwierigen Situationen werden. 
    Affirmationen sind selbstbejahende Sätze, die wir uns immer wieder sagen, um unsere negativen Gedanken und Überzeugungen umzuprogrammieren. Das Ziel dabei ist, unser Verhalten und unsere Gefühle dauerhaft zu verändern. Denken, Fühlen und Handeln hängen wechselseitig zusammen. Wenn ich meine Gedanken durch Affirmationen dauerhaft ändere, ändert sich schrittweise mein Verhalten und auch meine Gefühle ziehen nach.